Fachkräftemangel: Oschatzer Firma Pfennig-Bau setzt auf Asylbewerber
38-jähriger Syrer seit Sommer im Unternehmen / Präsident der Handwerkskammer lobt engagement
Von Axel Kaminski
Oschatz. Zu den rund 30 Mitarbeitern,
die in David Pfennigs Baufirma und dem
dazu gehörenden Baustoffhandel arbeiten,
gehört seit Juli dieses Jahres auch
Adris Hasan. Der 38-jährige Syrer ist einer
von rund 150 Asylbewerbern, die
derzeit in der Stadt leben.
„Ich habe mich beim Landratsamt erkundigt,
ob es unter den Flüchtlingen
geeignete Mitarbeiter für mich gibt“,
schildert David Pfennig, wie dieses
Arbeitsverhältnis zu Stande gekommen
ist. Es sei schwer, einheimische motivierte
Fachkräfte zu finden. Zu einem
ersten Gespräch mit dem Syrer habe er
einen Dolmetscher hinzu geholt und erläutert,
was ihm wichtig ist – zum Beispiel
Pünktlichkeit. Seither laufe alles
super. „Ein sonst eher zurückhaltender
Facharbeiter, in dessen Team Adris Hassan
arbeitet, hat mir geschildert, wie engagiert
er bei der Sache ist“, berichtet
David Pfennig.
Claus Gröhn, Präsident der Handwerkskammer
zu Leipzig, und Nordsachsen
Landrat Kai Emanuel (parteilos)
besuchten den Oschatzer Baubetrieb,
um sich David Pfennigs Erfahrungen
schildern zu lassen und ihre Positionen
darzustellen. Claus Gröhn, der dem
Oschatzer für seinen Mut dankte, forderte
von der Politik, dass für die Handwerker
Marktanreize geschaffen werden,
um Asylbewerber zu integrieren.
Dem Präsidenten der Handwerkskammer
zu Leipzig schwebt ein praktisches
Berufsorientierungsjahr vor, das von
Deutschunterricht ergänzt wird. Dabei
sollen die Fähigkeiten und Neigungen
der Asylbewerber erkannt werden. Daran
könnte sich eine dreijährige Berufsausbildung
anschließen. Dieser Vorschlag
beruhe aus der Erfahrung mit
den hier aufgenommenen spanischen
Jugendlichen. Claus Gröhn möchte
noch auf eine weitere Erfahrung zurückgreifen.
Seiner Ansicht nach hatte sich
die 100-prozentige Förderung von Umschülern
im Handwerk, so wie sie in den
1990er Jahren praktiziert wurde, bewährt.
Dass er sich damit vor allem auf
16 bis 18 Jahre alte Neuankömmlinge
bezieht, die über keine Berufsausbildung
verfügen, erläuterte er allerdings
erst später.
David Pfennig betonte, dass er sich
diese Förderung nicht so pauschal wünschen
würde. Er wolle nicht in der Zeitung
lesen, dass einer seiner Mitarbeiter
komplett vom Arbeitsamt bezahlt werden
würde. Er habe einen kleinen Zuschuss
für Adris Hasan erhalten, aber er
sehe es als Aufgabe der Wirtschaft, geeignete
Asylbewerber sofort zu integrieren.
„Wenn jeder Betrieb, der 15 bis 20
Leute beschäftigt, einen Flüchtling einstellt,
dann kann die Integration über
die Arbeit gelingen“, legte der Bauunternehmer
seinen Standpunkt dar.
„Mein Chef ist mein Bruder und Oschatz
meine Stadt“, sagte Adris Hasan auf die
Frage, wie er sich hier fühle. Der 38-Jährige
betonte auch, dass er wieder gehen
wolle, wenn in „Syrien alles gut“ sei.
Der Jeside, der sich nach seiner Flucht
aus Afrin zunächst eineinhalb Jahre in
der Türkei aufgehalten hatte, lebt seit
dem Herbst 2014 mit seiner Frau und
den sechs und acht Jahre alten Söhnen
in Oschatz.
Flüchtlinge sind eine Chance
Die vielen in den vergangenen Wochen
in der Region angekommenen
Flüchtlinge bieten für hiesige Unternehmen
eine Chance. Seit fast zehn Jahren
geht die Zahl der Erwerbslosen in der
Region zurück, haben Unternehmen unter
anderem auch Probleme, Lehrlinge
zu finden. Jetzt bietet sich die Möglichkeit
einer Problemlösung. David Pfennig
hat einem Flüchtling aus Syrien die
Chance geboten, auf eigenen wirtschaftlichen
Beinen zu stehen und zieht
jetzt nach einem Vierteljahr eine positive
Bilanz. Mehr noch: Er nimmt andere
Unternehmer in die Pflicht. Er hält es für
die Aufgabe der Wirtschaft, bei der Integration
mitzuwirken. Seiner Erfahrung
nach zieht die berufliche Integration das
Kennenlernen der Sprache und der hiesigen
Gepflogenheiten nach sich und
bringt sowohl für den Syrer als auch für
seine Kollegen neue soziale Kontakte.
Dabei muss sich die deutsche Bürokratie
ändern. Man kann weder die Qualifizierung
der hier Angekommenen jahrelang
prüfen, noch deren Fluchtgründe. Solche
Entscheidungen müssen schneller
fallen, damit die Effekte, welche die
derzeitige Flüchtlingsbewegung hat,
auch auf den Arbeitsmarkt durchschlagen
können.
Bildunterschrift:
Meister Alexander Luchs (vorn, rechts) zeigt Adris Hasan das Wickeln von Lehmstaken – eine von der Firma Pfennig-Bau im Denkmalschutz angewandte historische Bautechnik.