Deutsches Handwerksblatt Leipzig - 18. Dezember 2015
Fachkräfte und Integration
Betriebsbesuch: Die Pfennig Bau Gmbh & Co. KG nutzt im Wettbewerb um Fachkräfte das Potenzial von Flüchtlingen.
Davon überzeugte sich Leipzigs Handwerkskammerpräsident.
Regelmäßig bereist der Präsident
der Handwerkskammer zu Leipzig
den Kammerbezirk, um mit
Unternehmern ins Gespräch über aktuelle
Themen zu kommen. Beim jüngsten Betriebsbesuch im Oschatzer Unternehmen
Pfennig Bau GmbH & Co. KG stand das
Thema „Beschäftigung von Asylbewerbern
und Flüchtlingen“ auf der Agenda.
Bei der Visite, zu der neben Nordsachsens
Landrat Kai Emanuel (parteilos) auch
Vertreter von Stadtverwaltung, Arbeitsagentur,
Handwerk und dem Oschatzer
Bündnis für Demokratie, Toleranz und
Menschlichkeit zugegen waren, standen
die Erfahrungen, die Geschäftsführer David
Pfennig bei der Beschäftigung eines
Asylbewerbers aus Syrien gemacht hat,
im Fokus. Pfennigs Firma ist eine der ersten
im Kammerbezirk, die im Wettbewerb
um Fachkräfte das Zuwandererpotenzial
nutzt und dabei einen Beitrag zur Integration
von Flüchtlingen leistet.
Im gegenseitigen Gedankenaustausch
kamen einige Knackpunkte bei der beruflichen
Integration der Flüchtlinge zur Sprache.
Unisono wurde die Abarbeitung der
Asylanträge als zu langsam eingeschätzt. „Es ist wichtig, die Asylverfahren zu beschleunigen,
denn die Integration ist nur
für die Leute notwendig, die vor Ort bleiben“,
kommentierte Landrat Emanuel. Bei
den Menschenmassen könnten nicht alle einen Deutschkurs belegen, sondern vor
allem diejenigen mit Bleibeperspektive.
David Pfennig forderte die Politik auf,
darüber nachzudenken, einige Regelungen
zu ändern. „Warum sind Asylbewerber beispielsweise
oft 15 Monate zum Nichtstun
verdonnert und dürfen dann erst arbeiten?“,
beschreibt er ein großes Integrationshemmnis.
Viele Unternehmer hätten
jetzt schon Probleme, Personal für ihre
Betriebe zu finden. Da kämen motivierte
Zuwanderer gerade recht. Außerdem müsse
die Registrierung der Berufe und Fähigkeiten
forciert werden und für diejenigen,
die längere Zeit hier bleiben, ein bedarfsgerechtes
Angebot an berufsbegleitenden
Sprachkursen etabliert werden. Dafür sei
eine effiziente Vernetzung der verschiedenen
Ämter und Institutionen notwendig.
Claus Gröhn forderte ebenfalls Weichenstellungen.
„Es sind schlanke Strukturen
mit wenig Bürokratie nötig, damit die
Integration gelingen kann“, so der KamBemerpräsident.
Er betonte noch einmal,
dass vor allem das Bildungs- und Technologiezentrum
der Handwerkskammer
bereit sei, den Migranten mit einem Mix
aus Sprachvermittlung und Qualifizierung
den Start in Deutschland zu erleichtern.
Dem Präsidenten schwebt vor allem für
junge Flüchtlinge ohne Ausbildung ein
praktisches Berufsorientierungsjahr mit
flankierendem Sprachunterricht vor. Daran
könnte sich eine Ausbildung in der
regionalen Wirtschaft anschließen. Allerdings
müsste für das Orientierungsjahr eine
kostendeckende Förderkulisse geschaffen
werden. „Das ist eine gute Investition,
da die Folgekosten einer fehlgeschlagenen
Integration enorm sind“, so Gröhn.
Einen ausführlichen Bericht über das
Integrationsbeispiel aus Oschatz gibt es
in der nächsten Ausgabe des Deutschen
Handwerksblattes.
Bildunterschrift:
Der Syrer Adris Hasan (4.v.l.) demonstriert mit Meister Alexander Luchs das Wickeln von Lehmstaken — eine im Denkmalschutz angewandte Bautechnik